18.03.2018, NZZ am Sonntag

Im Reich der Pflanzen-Nerds

Ein neuer stilvoller Pflanzen-Ratgeber aus Australien versorgt Heim-Gärtner mit praktischen Tipps und Inspiration beim Einrichten

Von Stephanie Rebonati
Bilder: Luisa Brimble

Das Stichwortverzeichnis des Buches liest sich wie ein dadaistisches Gedicht: Ficus elastica / Ficus longifolia / Ficus lyrata. Oder: Nephrolepis exaltata / Opuntia microdasys / Ox tongue. So gut das klingt, «Leaf Supply», der soeben erschienene Zimmerpflanzen-Ratgeber der Australierinnen Lauren Camilleri und Sophia Kaplan, hat natürlich weit mehr zu bieten als lateinische Pflanzennamen.

Plötzlich wird einem klar, weshalb der einst so buschige Schwertfarn plötzlich trostlos und dürr in der Ecke steht. Während der Wintermonate ist das nämlich der komplett falsche Ort für ihn: zu nahe an der Heizung, welche die Luft austrocknet, und zu viel Wärme, da die Sonne im Winter tiefer steht, der Farn also förmlich verbrennt. Schwertfarne mögen es hell sowie feucht und vertragen nur indirektes Licht.

Auch versteht man endlich, weshalb es dem herzblättrigen Philodendron, dem Gummibaum und dem Zwergpfeffer derart gut geht, denn stehen Pflanzen nahe beieinander, erzeugen sie in der Gruppe durch sogenannte Transpiration ein optimales Mikroklima. Und wenn wir schon dabei sind: Ist der Hängende Steinbrech wohl nicht so fit, weil er in seiner nicht aktiven Wachstumsphase gedüngt und seine Erde beim Umpflanzen nicht mit Torf angereichert wurde?

«Leaf Supply» hält viele wertvolle Tipps bereit, etwa dass sich Niemöl zur Befeuchtung von Blättern eignet und sie obendrauf vor Krankheiten schützt. Zudem verleihe das Öl, aus den Samen des Niembaumes gewonnen, matten Blattpflanzen einen natürlichen Glanz. Liest man diesen Guide für glückliche Zimmerpflanzen, erscheinen einem die eigenen bald in einem neuen Licht. Sie verwandeln sich von Wohnaccessoires zu Mitbewohnern.

Ästhetische Wissenschaft
«Leaf Supply» kommt zwar wie ein sehr schönes Einrichtungsbuch mit australischer Anmutung daher, doch es ist weitaus mehr. Man begegnet sattgrünen, opulenten Pflanzen in handgemachten Ton- und Betontöpfen, die neben Rattansesseln und auf Kelim-Teppichen stehen. Man lernt auch ein paar sehr gutaussehende und angezogene australische Keramikerinnen und Stylistinnen kennen, die durch ihre grünen Wohnräume und Ateliers führen. Doch mehr als um Ästhetik geht es um eine Wissenschaft, mit der sich jedermann vertraut machen kann – talentfreier Daumen hin oder her.

Im Selbststudium zum Pflanzen-Nerd
Alles begann mit einer Menge toter Sukkulenten, woraufhin sich die Art-Direktorin Lauren Camilleri eine letzte Chance gab und eine kleine Monstera deliciosa kaufte. Das Köstliche Fensterblatt wird im Englischen ironischerweise und aus offensichtlichen Gründen «Swiss cheese plant» genannt. Die unkomplizierte, immergrüne Kletterpflanze mit eleganten, herzförmigen Blättern bildet schöne, längliche Schlitze, wenn sie zu wenig Licht bekommt.

Camilleri, bedrückt wegen des Blättersterbens, las Ratgeber um Ratgeber, experimentierte und mutierte schliesslich zum «massive plant nerd», wie sie sich nennt. Sie eröffnete den Online-Shop Domus Botanica, in dem es, logisch, um Pflanzen und ihre Accessoires geht. Zusammen mit der Floral-Stylistin Sophia Kaplan gründete sie Leaf Supply, einen Pflanzenkurier in Sydney. Mit dem neuen Buch sorgt das Duo dafür, dass die «massive plant nerd»-Community wächst und gedeiht.

Buch: Lauren Camilleri und Sophia Kaplan, «Leaf Supply», Smith Street Books 2018

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