29.10.2017, Sonntagsblick Magazin

Die Muse der Künstler

Heute ist sie fast vergessen. Doch die Modeschöpferin Elsa Schiaparelli gilt als Ikone des 20. Jahrhunderts. Besonders war ihre enge Zusammenarbeit mit grossen Künstlern.

Von Stephanie Rebonati

Giacometti, Picasso, Dalí – Elsa Schiaparelli (1890–1973) zog sie alle in ihren Bann. Die italienische Modeschöpferin kreierte nicht nur Kleider, sondern setzte auch neue Massstäbe und schlug Brücken. Ihr Salon an der 21 Place Vendôme in Paris wurde in den 1930er-Jahren zum Inbegriff von Glamour und Avantgarde.

Schiap, wie sie sich selbst nannte, erfand das Wickelkleid, stattete als erste Designerin Badekleider mit Büstenhaltern aus, setzte auf optische Täuschungen und steckte Frauen in breitschultrige Sakkos. Was diese Ikone des 20. Jahrhunderts aber besonders ausmacht, sind ihre innigen Beziehungen zu den schillerndsten Künstlern jener Zeit. Ein neues Buch würdigt diese Kollaborationen, die zwischen zwei Weltkriegen Eklektisches hervorbrachten.

Haarige Stiefel, ein Schuh als Hut, gemalte Hautfetzen auf Seide – Schiaparelli liebte Grenzüberschreitungen, weil sie Mode und Kunst gleichsetzte. 1938 schenkte ihr Salvador Dalí eine Zeichnung eines Skeletts, woraus sie ein schwarzes Viskose-Oberteil mit reliefartigem Brustkorb fertigte. Ein Jahr zuvor malte Dalí eine Languste, die gross auf ein Abendkleid gedruckt wurde, das die Gräfin von Windsor mit in die Flitterwochen nahm. Auch in Picassos Werk stösst man auf Entwürfe von Schiaparelli, etwa im Porträt, das er 1937 von der Schauspielerin Nusch Élouard malte.

Kapitel für Kapitel entdeckt man die grossen Namen, die Seiten reich illustriert – und lehrreich. Lange bevor Giacometti etwa mit seinen ausgemergelten Figuren aus Bronze weltberühmt wurde, fertigte er für Schiaparelli Vasen und Kerzenständer. Aus der Geschäftsbeziehung wurde eine Freundschaft, und so entwarf der Bündner für das Modehaus Schmuck: Frauenköpfe zierten Armbänder, Körper tanzten auf Knöpfen.

Auch der Schriftsteller Jean Cocteau wählte die menschliche Form: Er zeichnete ein tränendes Auge, das von Schiaparelli in eine Brosche aus Perlmutt und Glas verwandelt wurde. Im Gegenzug entwarf sie für seine Bühnenstücke Kostüme, die 1940 von keinem Geringeren als Man Ray fotografiert wurden.

Doch das surrealistische Spiel fand mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges sein Ende. Schiaparelli floh nach New York. Als sie 1945 zurückkehrte, musste sie feststellen, dass ihre laute, mutige und farbige Mode, die einst die französische Hauptstadt ohrfeigte und faszinierte, ausgedient hatte. Die schlichten Kreationen einer Coco Chanel waren nun angesagt. 1952 schloss Schiap ihren Salon an der 21 Place Vendôme und lud die Kunstwelt fortan zu sich in die Wohnung, wo weitergespielt wurde.

Buch: André Leon Talley, Suzy Menkes, Christian Lacroix: Schiaparelli and the Artists, Rizzoli.

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