25.02.2018, Sonntagsblick Magazin

Mode gemalt

Wie eine junge US-Amerikanerin ihr Hobby zum Beruf machte und heute für die ganz Grossen im Modegeschäft zeichnet.

Von Stephanie Rebonati

Sie spielen Klavier, spazieren im Wald, schwimmen in Pools. Manchmal sind sie alleine, dann zusammen am Tisch, im Bett oder auf der Veranda. Was Kelly Beemans Figuren in jeder Szene auszeichnen, sind deren Outfits. Bestickte Blusen, gestreifte Hosen, ein Kleid aus Spitze, eine schwarze Jacke mit goldigen Knöpfen. Keine Erfindungen der Künstlerin, sondern Replikas aktueller Modekollektionen. Gucci, Dior, Prada, auch Balenciaga und Chanel kommen vor.

Im Auftrag von Modemarken und Magazinen kreiert die 35-Jährige fiktive Räume, in denen echte Mode erfrischend anders gezeigt wird. Und weil diese Werke weit mehr als nur Mode sind, wurde ein Zürcher Kunstbuchverlag auf die junge Amerikanerin aufmerksam und publizierte nun ihr erstes Buch. «Window Shopping» wurde vor zwei Wochen in der Buchhandlung des Designers Marc Jacobs in New York lanciert, wo es innerhalb einer Stunde ausverkauft war.

In der Zeichner-Tradition der früheren Modeschöpfer
Wir sind uns Laufstegbilder und aufwendig inszenierte Fotoshootings gewohnt, wenn es um Modebilder geht. Handgefertigte Skizzen und Illustrationen sieht man in Museen oder Filmen über Coco Chanel und Yves Saint Laurent. Beemans Werke zeugen von dieser Tradition, doch haftet ihnen keine Nostalgie an. Sie sind frisch, eigenständig, vor allem aber persönlich. Beeman wuchs mit ihren drei Schwestern in Oklahoma City auf, sie malten, erfanden Geschichten und musizierten. Deshalb sieht man heute in den Werken Notenhefte und Frauen, die gemeinsam Blumen stehlen oder im Schlafzimmer in Heften blättern. Man begegnet auch Literatur und Designklassikern, die der Künstlerin lieb sind, etwa von Vladimir Nabokov, Koloman Moser und Josef Hoffmann.

Beeman brachte sich das Zeichnen selbst bei. Nach dem Soziologiestudium arbeitete sie in Argentinien und Bolivien, bevor sie nach New York zog, wo sie tagsüber malte und abends kellnerte. Vor drei Jahren publizierte sie auf ihrem Instagram-Profil eine Modeillustration und nannte in der Bildunterschrift den Designer JW Anderson, von dem die Kleider stammten. Innert Stunden rief ein Assistent aus London an und bestellte weitere Zeichnungen. Es folgten grosse Modehäuser wie Loewe, Elie Saab und Tory Burch, auch «Vogue», «Marie Claire» und «InStyle» riefen an. Heute lebt Beeman von diesen Aufträgen. Übrigens stiess auch der Schweizer Verlag online auf ihr Werk: Eine Mitarbeiterin scrollte während der Mittagspause durch Instagram und verliebte sich in die elegant-langgliedrigen Figuren, die weit mehr als nur Mode sind.

Buch: Kelly Beeman: «Window Shopping», Edition Patrick Frey.

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