17.08.2014, Sonntagszeitung

Im Schatten der Arbeit

Büropflanzen leben bei glamourösen Magazinen oder berühmten Modelabeln nicht auf der Sonnenseite, wie ein Fotoband zeigt.

Von Stephanie Rebonati
Fotos: Polly Brown / Pau Wau Publications

Die Londoner Fotografin Polly Brown besuchte in den letzten zwei Jahren die bekanntesten Büros dieser Welt. Google, Playboy, Pepsi, Dolce & Gabbana und Microsoft. Sie verschaffte sich Zugang zum Innern dieser Kommerzgiganten, um etwas ganz Harmloses, ja Liebenswürdiges zu tun. Sie schenkte nicht den CEOs, der Innenarchitektur oder den Produkten Aufmerksamkeit – Polly Brown porträtierte die Topfpflanzen.

Das scheinbar nebensächliche Grünzeug, das aber so viel über uns aussagt. Es vegetiert auf Pulten dahin, wird im Gang abgestellt, auf der Toilette nach dem Giessen vergessen, auf einem Stapel Altpapier deponiert. Es wird chronisch vernachlässigt und ist doch präsent. Weil es offenbar ein Bedürfnis ist: Die Büropflanze als Zugeständnis an die Natur, die weit weg ist von Excel-Tabellen und Human Capital. Was 2012 als Auftragsarbeit für die Whisper Gallery in London begann, fand seine Vollendung nun in Form eines Bildbands: «Plants». Pflanzenporträts auf 122 Seiten. Ungewollt witzig, ungekünstelt schön.

Da steht in der Redaktion des «New York Magazine» ein flottes Trio in Reih und Glied: kleiner und grosser Pultabroller, ein schwarzer Locher. Von links greifen die dünnen Arme einer Aloe Vera an. Ein Stillleben in der Bürotristesse. Auch die Journalisten beim «The Guardian» setzen auf die Aloe-Pflanze. Vermutlich, weil sie hart im Nehmen ist, selten bis nie gegossen werden muss. Das Grünzeug hat durchaus Symbolcharakter.

Entsprechend erwartet man Schickes bei der «Vogue» und in den Räumlichkeiten gefeierter Modelabels. Edles Grünzeug als Teil des Interieurkonzepts, symmetrisch getrimmte Buchsbäumchen, Kletterpflanzen! Nichts da. Bei der «Vogue» ist die Nachtfalterorchidee verwelkt. Bei COS geben ein Kaktus und ein Schoggi-Bär ein nettes, wenn auch trauriges Paar ab. Bei Opening Ceremony macht sich eine schlangenartige Luftnelke auf Magazinen breit, die offenbar längst keiner mehr anguckt.

Die Welt ist also in Ordnung. In den schillerndsten Büros arbei- ten auch nur Menschen, notorische Pflanzenkiller wie unsereins. Nur bei Vivienne Westwood in London nicht, wo Polly Browns Plants-Projekt vor zwei Jahren begann. Die legendäre Modedesignerin hat eigens für ihre Topfpflanzen einen Gärtner angeheuert. Und weil ihr das Porträt ihres Zimmerphilodendrons so gut gefällt, hängt ein Ausdruck davon nun im Büro – direkt neben dem Original.

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Polly Brown, «Plants», Pau Wau Publications, 40 Franken

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