23.10.2014, Züritipp

1,25 Kilo Lesegenuss

Saisonal, regional, hausgemacht. Mit dieser Küchenphilosophie bereiste die Zürcherin Anna Pearson die Welt und schrieb ein Buch. Ein kompromissloser und erfrischender Erstling.

Von Stephanie Rebonati
Foto: Doris Fanconi

Anna Pearson macht kein Geheimnis daraus: Sie kann schlecht mit anderen zusammen kochen. Schon zu oft habe sie ihre Mutter und die Schwester vom Herd vergrault, ein ums andere Mal korrigiert, ständig ihren Senf dazugegeben. Aber es mache halt doch einen Unterschied, ob man Karotten in Scheiben, Stäbchen oder Würfel schneide, sagt die junge Frau. Ursprünglich studierte sie Design, brachte sich dann aber selber bei, wie man Würste, Pasta und Frischkäse herstellt, ein halbes Wollschwein zerlegt und Fisch räuchert.

Saisonal, regional, hausgemacht – das sind die Eckpunkte der Terroirküche. Und Anna Pearson ist eine ihrer umtriebigsten Repräsentantinnen. Die 32-jährige Zürcherin machte in den vergangenen vier Jahren mit «a tavola!», einer Tafelrundenreihe, auf sich aufmerksam und setzt sich für die Vereinigung Slow Food Youth ein. Egal was sie gerade tut, sie verkündet stets dieselbe Botschaft: «Schaffen wir es, eine Nachfrage nach guten Produkten zu generieren, werden auch gute Produkte hergestellt.»

Seit knapp zwei Wochen ist nun ihr erstes Kochbuch erhältlich: «Zu Tisch» lautet sein Titel. Und das Buch ist ganz Anna Pear­son. Das heisst: kompromisslos. Jedes einzelne Salbeiblatt, jede Zwiebel, jeden Käse hat die Autorin eigenhändig gezupft, gehackt und gehobelt. Die für die Nachforschungen notwendigen Reisen unternahm sie zusammen mit ihrer Schwester ­Catherine, die für die Bilder und das Layout von «Zu Tisch» verantwortlich ist.

Die beiden degustierten und recherchierten auf der ganzen Welt – auf Sizilien gleichermassen wie im Grossstadtdschungel von New York. Sie besuchten die Naturfischteiche im aargauischen Fisibach und ernteten Gemüse in ihrem Schrebergarten in der Stadt Zürich.

Gestreiftes Shirt, gepunktetes Foulard, stahlblaue Augen, so erscheint sie zum Interview in einem Café im Seefeld. Anna Pearson ist glücklich erschöpft. Sie bestellt eine helle Schale, legt ihr Erstlingswerk auf den Tisch und sagt stolz, dass es 1,25 Kilogramm auf die Waage bringe. Sie möchte es nicht persönlich oder intim nennen, dieses Buch, obwohl es das natürlich ist.

63 Gerichte hat sie über ein Jahr hinweg zubereitet, 120 Gästen die Speisen aufgetischt, ­jedes Rezept aufgeschrieben, die Produzenten­porträts verfasst und auch die Geschichte über ihren Grossvater erzählt, der sich vor jeder Mahlzeit eine heisse Suppe wünschte, «öppis Rächts», wie er es nannte. Das alles ist in «Zu Tisch» dokumentiert und liebevoll inszeniert.

Das Buch gliedert sich in Monate, ganz der Terroirphilosophie getreu. Im Januar kochte Anna Pearson Wachteln mit Pinienkernen auf Radicchio und Polenta, im März Zitronen-Ricotta-Ravioli mit Mönchsbart, und im Dezember werden es dann Lammhack-Teigtaschen an Minze-Knoblauch-Joghurt sein.

Im Grunde macht dieses Buch nicht in erster Linie Lust aufs Kochen am eigenen Herd, vielmehr will man bei dieser engagierten Frau am Tisch sitzen – und sich von ihr bekochen lassen. Zum Glück lädt Anna Pearson im ?November wieder zu ihrer Tafelrunde, die nicht mehr «a tavola!», sondern neu «Wellenberg» heisst. Anmelden kann man sich auf Pearsons Website.

«ZU TISCH»
Von Anna Pearson, 352 Seiten, 58 Franken, Eigenverlag, Bestellung über die Website der Autorin, www.annasfinest.ch

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