13.12.2012, Züritipp

In klarem Wasser fischen

Gehts um Konsum von fairem Fisch, sind Konsumenten oft überfordert. Zürcher Wirte zeigen, dass die Kaufentscheidung so schwer nicht ist.

Von Stephanie Rebonati
Foto: Reto Oeschger

Laut UNO sind 57 Prozent der wirtschaftlich genutzten Fischbestände stark überfischt, 30 Prozent stehen kurz davor. Im Binnenland Schweiz werden pro Jahr rund 71 000 Tonnen Fisch und Meeresfrüchte gegessen. Das sind fast 10 Kilogramm pro Kopf. Es wird viel Fisch gegessen - und viel darüber diskutiert. Darf man Saibling, Wolfsbarsch oder auch Crevetten überhaupt noch konsumieren? Ja, wenn Fischhändler und Gastronomen verantwortungsvoll mit dem Thema umgehen.

In der Wirtschaft Neumarkt bietet Wirt René Zimmermann nur Meerfische an, die vom WWF empfohlen werden. Und wenn Zuchtfische auf der Karte stehen, dann stammen diese aus der Biozucht Glauser in Bachs. Zudem arbeitet der Wirt mit Berufsfischer Kurt Weidmann zusammen, der im Zürichsee fischt. Diese Zusammenarbeit ist dem Gastronomen Zimmermann wichtig, er denkt lokal. Denn er weiss: Zuchten von Salzwasser-Raubfischen sind umstritten, da ihnen oft Fischmehl und -öl verfüttert wird - für dieses Futter werden auch Tiere aus Wildfang verarbeitet. Zudem wird bei Zuchten Antibiotika eingesetzt, das dann in unserem Körper landen kann.

Auch das Restaurant Volkshaus setzt wie Zimmermann auf «ein Stück Heimat». Geschäftsführer Benjamin Schmid sagt: «Unsere Süsswasserfische stammen aus uns bekannten und nachhaltig betriebenen Zuchten und Gewässern aus der Schweiz und den umliegenden Ländern.» Und wenn während Spezialwochen Meeresgetier serviert wird, «achten wir auf zertifizierte Produkte oder halten uns an die WWF-Richtlinien».

Ein paar Gehminuten vom Volkshaus entfernt, werden im Ristorante Certo am Stauffacher Scampi, Pulpo und Muscheln gekocht. René Zimmermann vom Neumarkt wirtet auch hier, zusammen mit Martin Arnold. Eingekauft werden tiefgefrorene Fische und Meeresfrüchte mit MSC-Label von Marinex, einer 28-jährigen Schweizer Firma, die Mitglied der WWF Seafood Group ist. Das MSC- Lebensmittellabel erhalten Unternehmen, die nachweisen können, dass sie sich für eine nachhaltige Fischerei einsetzen (siehe Box).

Der Zürcher Fischimporteur Braschler’s Comestibles arbeitet ebenfalls mit dem MSC und dem WWF zusammen. Braschler beliefert seit über zwanzig Jahren die Zürcher Gastronomie mit Frischfisch, Schalen- und Krustentieren. Seit 2010 verkauft er in der Markthalle im Viadukt auch Fisch an den Endkonsumenten. Das Unternehmen ist konsequent. Es bietet nur Fisch an, der sich mindestens einmal reproduziert hat. Die Geschlechtsreife eines Fisches erkennt man an seiner Grösse. Braschler kauft seine Fische direkt in den Häfen im Ausland, wo die lokalen Fischhändler seine Richtlinien kennen. Die zu kleinen Fische bleiben dann liegen oder werden von Importeuren gekauft, die sich nicht für Nachhaltigkeit interessieren.

«Man meint, es sei kompliziert, fairen Fisch zu essen», sagt René Zimmermann, «aber das ist es nicht.» Als Konsument kann man im Restaurant darauf achten, dass der Fisch auf der WWF-Liste empfohlen wird - mit einer App auf dem eigenen Handy (siehe Box). Wenn dieser wild gefangen wurde, sollte er das MSC-Label haben, und wenn er aus einer Zucht stammt, dann sollte diese biozertifiziert sein. Zimmermann empfiehlt die Bio-Knospe von Bio Suisse.

Neben der Wahl des Labels stellt sich für den sensibilisierten, umweltbewussten Restaurantgast aber auch noch eine weitere Frage: «Wie ist das mit den bedrohten Arten?» Ein Beispiel: Der Gelbflossen-Thun ist im Gegensatz zum Blauflossen-Thun nicht bedroht. Das kann sich ändern: «Es ist leider eine verbreitete Annahme, es gäbe Fischarten, die man mit besserem Gewissen essen kann», sagt Billo Heinzpeter Studer, Co-Präsident des Schweizer Tierschutzvereins Fair Fish. Denn: Stürzen sich nun alle auf den Gelbflossen-Thun, stirbt dieser aus. Als Faustregel empfiehlt Studer: «Fisch soll eine Delikatesse sein und höchstens einmal pro Monat gegessen werden.»

Darauf sollte man achten, wenn man im Restaurant Fisch isst:

Wildfang
Süsswasser-Wildfang aus Schweizer Seen und Flüssen ist die beste Art, Fisch zu konsumieren. Für Süsswasserfische aus dem Ausland sollte man die WWF-Liste konsultieren (siehe unten). Bei Salzwasserfischen ist MSC (Marine Stewardship Council) die Norm: eine unabhängige Organisation, die sich seit 1997 mit einem Zertifizierungsprogramm für eine bestandserhaltende Wildfangfischerei einsetzt. Mit dem MSC-Label werden Firmen zertifiziert, die ein Managementsystem nachweisen können, das biologische, ökologische, technische und rechtliche Massnahmen ergreift. Ein weiteres Label, das Fische aus Salzwasser-Wildfang zertifiziert, ist Friend of the Sea.

Zuchtfisch
Für Zuchtfische aus Süss- und Salzwasser sind Biolabel wie Bio-Knospe von Bio Suisse, Migros Bio und Naturaplan (Coop) massgebend. Diese Labels garantieren, dass Zuchtfische nicht mit Antibiotika, Fischöl und Fischmehl gefüttert werden. Auch AquaGAP kennzeichnet Fische und Meeresfrüchte aus umwelt- und sozialverträglicher Zucht. Seit kurzem wird im Schweizer Detailhandel Tilapia mit ASC-Label verkauft, Ende Jahr folgt Pangasius. ASC ist ein WWF-Label für gezüchtete Fische und Meeresfrüchte, das umstritten ist: Gemäss Greenpeace lässt ASC gentechnologisch manipuliertes Futter zu und nimmt auf das Tierwohl keine Rücksicht.

WWF-App
Die WWF-Ratgeber-App hilft, herauszufinden, wie es um eine Fischart steht. Die App führt eine Liste aller Speisefische und Meeresfrüchte, zeigt auf, wie und wo diese gefischt oder gezüchtet werden und ob sie empfehlenswert sind. Die Ratgeber-App ist kostenlos und für iPhone und Android-Handys erhältlich.

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