10.10.2012, Basellandschaftliche Zeitung

New York ist ihr Sprungbrett für eine grosse Karriere

Die 25-jährige Basler Pianistin Salome Scheidegger ist auf dem Weg nach oben: internationale Auszeichnungen, Stipendien und Konzerte in aller Welt.

Stephanie Rebonati, New York
Foto: Gian Marco Castelberg

Sie sass am Flügel und spielte fünfundsechzig Minuten lang. Chopin, Mozart und dann wieder Chopin. Der Flügel, ein schwarzer Steinway, und die junge Frau davor in rosafarbenem Chiffon, die blonden Locken mit einer Spange hochgesteckt. Die Schweizer Pianistin Salome Scheidegger präsentierte in New York ihr Konzept «Salomes Envisage», eine bisher unbekannte Form von Klavierabend. «Das ist etwas ganz Neues in der klassischen Musik», sagt die 25-Jährige, «es braucht Mut.» Und den hat sie.

Envisage geht über die klangliche Rezeption hinaus. Das Auge wird animiert. Hinter Flügel und Pianistin läuft eine Videoinstallation, Musik in Bildern: das Publikum hört Chopins zweite Klaviersonate in b-Moll und spaziert durch einen Föhrenwald, und beim Gang durch einen fürstlichen Landsitz wird Mozart in C-Dur gespielt. Das Gehörte und Gesehene trägt die Anwesenden weit weg. Es ist überwältigend und mutig. Mutig, weil Animation leicht als Kitsch abgestempelt werden kann – das schlimmste Urteil für einen Künstler.

Als Elfjährige erhielt Salome Scheidegger ihre erste Auszeichnung: Sie besetzte den dritten Rang am internationalen Musikwettbewerb in Stresa am Lago Maggiore. Drei Jahre später gewann sie den ersten Preis am renommierten Concours Musical de France und wurde in Kanada als Zweitbeste an der Ludmila Knezkova-Hussey International Piano Competition ausgezeichnet.

Ehrgeiz und Gelassenheit
In Paris studierte sie ein Jahr an der École normale de Musique, absolvierte an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar Meisterkurse und erhielt Stipendien für hochbegabte junge Menschen. 2010 bekam sie das Künstler-Visa für die USA. Seither studiert sie in New York Piano Performance – und ist glücklich: «Ich liebe den Ehrgeiz und die Gelassenheit dieser Stadt. Hier kommen alle Fäden zusammen», sagt sie.

Was sie für die Musik von Chopin, Schumann und Schubert empfinde, könne sie nicht beschreiben. Einheit, Gefühl, Mark und Bein sind Stichworte, mit denen sie es versucht. Mit Envisage beteiligt sich die junge Pianistin aktiv am Diskurs über ernste und unterhaltende Kultur. Aus technischer Sicht geht sie zu den Wurzeln zurück, da sie die Musik weder jazzig noch poppig färbt. Aus rezeptiver Sicht geht sie so weit auf die Web-2.0-Generation zu, dass die älteren Semester noch mithalten. Es sei «avantgarde» und «simply beautiful», flüsterten die geladenen Gäste an der Präsentation. Darunter Produzenten, Agenten und Sponsoren.

Mexikanischer Rap und Tacos
Salome Scheidegger sitzt an einem ihrer Lieblingsorte in New York, dem Café Habana. Ein eng bestuhltes Ecklokal nördlich von Little Italy. Mexikanischer Rap tönt aus den Boxen und Fisch-Tacos werden serviert. Die junge Frau erzählt, dass sie ein sturer Mensch sei, lange ein Mammeditti war, Basler Leckerli überhaupt nicht möge und das Abenteuer liebe. Und sie ist dankbar: «Ich kann es kaum glauben, wie viel Glück ich bisher hatte», sagt sie. Wille hat sie genauso viel. Als 16-Jährige schmiss sie das Gymnasium, um «täglich mindestens sechs Stunden zu proben». Das ist heute noch so.

Salome Scheideggers Eltern und drei Geschwister reisten Ende Juli nach New York, um die Zweitälteste bei der Präsentation von Envisage zu unterstützen. Und so kam es, dass an einem Freitagabend in einem Konzertsaal in der Bronx, zwischen Weisswein und Trüffelpizza, Basler Dialekt gesprochen wurde. Die Eltern der Pianistin sind aus Basel. Sie studierten dort Biochemie und Kunstgeschichte und zogen dann los: Salome wurde in Japan geboren, als sie fünf war, zog die Familie nach Lugano und später nach Zürich. Und in Binningen wird «das Grossmami» bis heute regelmässig besucht. Die Basler Zunge verrät stets die Wurzeln: «In Zürich wurde ich natürlich immer gehänselt», sagt Salome Scheidegger.

Salome Scheidegger lancierte 2004 ihre erste CD «Anthology»mit Mendelssohn, Chopin, Janacek und Debussy. 2006 gab sie bei tokafi Records drei weitere Tonträger heraus: «Storytelling» (Bach, Beethoven, Chopin) «Zart» (Mozart) und die Maxi-Single-CD «Dark Little Rooms» (Grieg). www.salomes.com

DOWNLOAD PDF

Webdesign und Webagentur Zürich