30.03.2014, Sonntagszeitung

Obsessionen in Schwarz und Weiss

Zwei Pariser Ausstellungen erinnern an den US-Fotografen Robert Mapplethorpe.

Von Stephanie Rebonati
Fotos: Robert Mapplethorpe Foundation

Tulpen, Lilien, männliche Akte, Patti Smith. Alles Schwarz und Weiss. Zwei Pariser Museen ehren den 1989 verstorbenen amerikanischen Fotografen Robert Mapplethorpe. Das Grand Palais zeigt eine Retrospektive, die bisher umfangreichste: Collagen und Zeichnungen der 60er, Polaroids der 70er, Fotografien der 80er. Das Musée Rodin stellt Mapplethorpes homoerotische Akte der Rauheit von Auguste Rodins Skulpturen gegenüber. Im Grand Palais, an der Vernissage am vergangenen Donnerstag, war Patti Smith da. Grossmutter des Punks, Robert Mapplethorpes Muse, seine Denkmalschützerin. Am 5. April tritt sie im Zürcher Kaufleuten auf. Im selben Monat erscheint «Das Korallenmeer» erstmals auf Deutsch mit bisher unveröffentlichten Gedichten – nach «Just Kids» Patti Smiths zweite Mapplethorpe-Laudatio.

Eine rein ästhetische Beziehung zur Kirche

Als kleiner Junge bastelte Robert Mapplethorpe Broschen für seine Mutter. Wenn er malte, wählte er Farben, die nur er sah. Rote Hügel, violetter Schnee, eine silberne Sonne. Er wuchs auf Long Island auf, Arbeiterklasse, katholisch, das dritte von sechs Kindern. Seine Mutter liebte ihn. Mit dem Vater brach er früh. Seine Beziehung zur Kirche war keine religiöse, sondern eine ästhetische. Er liebte die Roben, die Sakristei, die pompös geschmückten Schaugeräte für Hostie und Messewein. Das manifestierte sich in seinen ersten Werken in den 70ern, Stillleben von gefundenen Objekten, das Zusammenbasteln einer Künstleridentität. Das steht als Zitat in der Ausstellung im Grand Palais: «Die Kirche ist etwas Magisches für ein Kind. Es beeinflusst, wie ich die Dinge arrangiere. Ich mache immer kleine Altare.» 

Als junger Mann studierte Robert Mapplethorpe am renommierten Pratt Institute in Brooklyn. Er erkannte, dass Fotografie Kunst sein kann, lernte Patti Smith kennen und schenkte ihr selbst gemachte Ketten aus Metall, Federn und Knochen. Als aufstrebender Künstler, als Zeitgenosse von Jimi Hendrix, Jim Morrison und Janis Joplin tauchte er ins Bodenlose von LSD und Heroin.

Grenzenlose Bewunderung für den nackten Körper

Mit 42 Jahren starb er an den Folgen von Aids, am 9. März jährte sich sein Todestag zum 25. Mal. Ein Fotograf mit einer «grenzenlosen Bewunderung» für den nackten Körper. Der die Vermählung von Poesie und Erotik in Blumen verehrte. Der in permanenter Dualität lebte. Er inszenierte seine Tulpen und Lilien, seine Muse und Altare. Er bat Prostituierte und Stricher vor die Linse, fotografierte die sadomasochistische Untergrundszene New Yorks. Er liebte Patti Smith, führte mit dem 25 Jahre älteren Kurator und Sammler Sam Wagstaff eine Beziehung. Homosexuell, heterosexuell, Schwarz und Weiss, Tag und Nacht. Ein Rausch.

Robert Mapplethorpe sprach selten, sagte Patti Smith Anfang dieses Jahres in einem Artikel in der «Financial Times». Deshalb könne sie sich so gut an das erinnern, was er damals in den Absteigen in Brooklyn, in den Clubs in Soho, im Chelsea Hotel und auf seinem Totenbett gesagt hat. Robert Mapplethorpe habe nie über seine Kunst sinniert. Er sei vor dem vollendeten Werk gestanden und habe gefragt: «Is it good or is it not?»

Robert Mapplethorpe, Grand Palais, Paris, 26. 3.–13. 7.
Mapplethorpe-Rodin, Musée Rodin, Paris, 4. 4.–21. 9.
Patti Smith, Das Korallenmeer, Bilger Verlag, Zürich, 24 Franken

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